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Sehr geehrter Herr Zoodirektor im Arbeitsamt ! |
Meine Ausbildung als dressierter Kulturaffe erfolgte am Wiener Reinhardt Seminar, bei Otto Schenk, Susi Nicoletti, Samy Molcho, später bei Otto Tausig; dann in der Filmhochschule und am IKM Karlsplatz. 36 Zirkusjahre lang diente ich bei großen Dompteuren im In-und Ausland, zum Beispiel bei Karl Paryla, Lee Strasberg, Peter Stein, schließlich bei Edwin Zbonek. Obgleich mir der Durchbruch zur prominenten Rampensau verwehrt blieb, besetzte man mich schon als Esel in der Arthur Honegger Oper Jeanne d´Arc au bûcher im Wiener Konzerthaus. Jahrzehntelange Bemühungen als weißer ORF-Elefant in Pension zu gehen scheiterten aber kläglich. Deshalb landete ich bei Ihren Betreuern und Coachern im AMS, genauer gesagt im ausgelagerten Künstlerstall team 04, eine hoch subventionierte Einrichtung für ältere, ausgediente Papiertiger.
§ 12. (1)
Zur Haltung von Tieren ist jeder berechtigt, der zur Einhaltung der
Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der darauf gegründeten Verordnungen
in der Lage ist, insbesondere auch über die erforderlichen Kenntnisse und
Fähigkeiten verfügt. Solches wird sich auch der Herr Datzer vom Weiterbildungsinstitut mit dem schönen Namen „Venetia“ bei der Geschäftsgründung gesagt haben: wir coachen die Ochsen und melken den Staat. (16 Mio €). Zwar muss dort neuerdings wirtschaftskriminalistisch ausgemistet werden, das Institut bleibt vorerst geschlossen, gestunken hat es aber schon lange, das melden die profil orientierten Spatzen. Ähnliches gilt für team 04, denn dort sitzen seit einigen Jahren zehn selbst ernannte Künstlerkörperverwerter die allesamt in freier Wildbahn, bei der eigenen Futterbesorgung schwer gescheitert sind. Nun beziehen die Bürohengste und Stuten 14 mal dienstvertraglich zugesicherte Fütterungen pro Jahr, davon träumen viele Kellerratten. Als unbeschäftigter Mehrzweckaffe erreichte mich von dort folgendes Beschäftigungsangebot: „Für einen Bahlsen-TV- Spot werden div. Darsteller gesucht: Einen griechischen Mann mit Erdverbundenheit ab 40-55, etwas rustikal, dem man eher ansieht, dass er schon viel erlebt und gearbeitet hat und einen afrikanischen Mann ab 50 der einen mittelafrikanischen Savannen Einschlag hat – kantig“. Da ich diesem und ähnlichen Angeboten nicht nachgegangen bin, wurde ich von der AMS-Betreuung namens team 04 ausgeschlossen und in den gewöhnlichen Vollzug zurück gestellt. § 13. (1) Tiere dürfen nur gehalten werden, wenn auf Grund ihres Genotyps und Phänotyps und nach Maßgabe der folgenden Grundsätze davon ausgegangen werden kann, dass die Haltung nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ihr Wohlbefinden nicht beeinträchtigt. (Quelle: Tierschutzgesetz). Meine neue Wärterin im AMS Esteplatz heißt Melanie, ich schätze, dass sie keine 30 Lebensjahre zählt, wenn sie überhaupt so weit zählen kann. Beim letzten Kontrolltermin versuchte es die falsche Schlange, ohne mir dabei nur in die Augen zu sehen, mit einer neuen Dressurmaßnahme: sie schickte wenige Stunden nachdem ich zur Kontrolle erschien war, einen RSa- Brief : Job Suche Intensiv mit EDV, Bewerbungstraining, Gruppenfindung und Warming Up“: ich soll, wenn es nach ihr geht, 54jährig, zum banalen Cyberaffen umgeschult werden.
§ 22. (1)
Natürliche oder künstliche Zuchtmethoden, die das Wohlbefinden der Tiere
länger oder dauerhaft beeinträchtigen, sind verboten. (2) Gegen Abs. 1
verstößt insbesondere, wer Obzwar für den ganzen, hoch subventionierten Fressnapfverein, vulgo EU, die gleichen Menschen- und Tierrechte, somit auch Bewegungsfreiheit gelten, hat jeder arbeitslose Menschenaffe der selbständig zur Futtersuche, beispielsweise nach München fährt, seinem Wärter gegenüber Meldepflicht. Genau genommen schon wenn er nach Linz reist, doch davon redet man nicht gerne weil unsereins ohnehin nicht zwingend nach Linz will. Entschieden wird der Freigang jedenfalls immer vom Aufseher.
§ 16. (1)
Die Bewegungsfreiheit eines Tieres darf nicht so eingeschränkt sein, dass
dem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden oder es in schwere
Angst versetzt wird. Im Mai/Juni 08 waren mir gleichzeitig 3 BetreuerInnen (3 zuviel) zugeteilt: zwei Damen vom AMS und ein komischer Vogel namens Sokal, der sich als arbeitsloser Kabarettist vorstellte. Mit ihm hatte ich wochenlanges Einzeltraining. Das großzügig ausgestattete Umerziehungslager, weißer Marmor im Hausflur, adressierte sich in der Salztorgasse, nur einen Block entfernt vom Morzinplatz wo eine Granittafel: „Niemals vergessen“ an bedenkliche Zeiten erinnert; als man nämlich noch affirmativ „Arbeit macht frei“ über den Eingang pinselte. Um meine Überlebenschancen zu verbessern, denn es ging bereits um meine bevorstehende Abschiebung, konzentrierte ich mich auf poetische, meta-menschliche Sprache und sagte zu ihm: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn…“ Das ist der Beginn der Duineser Elegien, mit denen ich täglich, außerhalb der Kontrollzeiten mein affiges Mundwerk übe. Der Trainer hat zwar den Namen Rainer Maria Rilke schon mal gehört, nicht aber die Elegien und deshalb unterbrach er meine Darbietung sofort. Anstelle dessen sollte ich mich nach Tätigkeiten am nicht- circensischen Arbeitsmarkt, wie sie von den jüngeren Brut- und Legehennen in den Callcentern verrichtet werden, umsehen. Ich schließe meinen unvollständigen Bericht an Sie, verehrter Herr AMS-Zoodirektor, mit dem Hinweis dass wir heuer nicht nur Darwins 200.Geburtstag, sondern auch den 20.Jahrestag des Zusammenbruches der DDR, der vollendet erfolglosen Planwirtschaft von homines sapientes zum Gedenken haben.
© 2009 by Michael Pand |